Review 200626 Desperados 3

Desperados 3

Mach mir den Cowboy!

So ein Mist - wird sich so mancher Freund gepflegter Echtzeitstrategiespiele im Allgemeinen und ohnehin rarer Westerngames im Besonderen gesagt haben, als die Desperados-Reihe 2007 - nach drei durchaus ansprechenden Folgen - für lange Zeit in der Versenkung verschwand. Jetzt hat sich Publisher THQ Nordic der Sache angenommen und das Münchener Entwicklerstudio Mimimi Games - den Namen feier ich immer noch - also, Mimimi Games damit beauftragt, einen weiteren Desperadoteil zu produzieren. Die hatten ja bereits mit Shadow Tactics: Blade of the Shogun bewiesen, dass sie das mit der Echtzeit-Strategie gut drauf haben. Klingt auf jeden Fall so, als würde uns da wieder mal ein richtiger guter Western erwarten. Oder etwas doch nicht?


(Copyright: THQ Nordic)

Drei oder nicht drei - das ist hier die Frage

Nun also Desperados 3. Wobei das ja eigentlich gar nicht der dritte, sondern sogar schon der vierte Teil ist. 2001 gab es mit „Wanted Dead or Alive“ Folge 1, damals noch von Spellbound entwickelt. Es folgte fünf Jahre später „Desperados 2: Coopers Revenge“, 2007 dann „Helldorado“. Das ursprünglich als Erweiterung zu Desperados 2 geplant war, dann aber - nach Stress zwischen Publisher Atari und Entwickler Spellbound - doch als eigenständiges Game erschien. Mitgezählt? Richtig, das sind schon 3.

Danach war dann auch erst einmal Schicht im Schacht. 2013 übernahm THQ Nordic die Markenrechte von Desperados, 2017 dann auch die von Helldorado. Um 2018 dann endlich auf der Gamescom Desperados 3 anzukündigen. Das - wie wir ja gerade gelernt haben - eigentlich Desperados 4 heißen müsste. Aber ok, 3 ist ja immerhin nah dran. Die hätten das ja auch Desperados 15 nennen können. Oder 12.409.

(Copyright: THQ Nordic)
Keine Fortsetzung

Aber macht Desperados 3 denn jetzt da weiter, wo der letzte Teil, Helldorado, aufgehört hatte? Wir erinnern uns (zumindest die Älteren unter uns): Da ging es um 12 Missionen, die Cooper & Friends für die Witwe des korrupten Eisenbahnmagnaten Lloyd Goodman übernehmen mussten - der wiederum der Gegner in Teil 2 war - und um den perfiden Plan des mexikanischen Revolutionärs El Cortador, den amerikanischen Präsidenten zu ermorden. Antwort: Nein. Desperados 3 ist vielmehr ein „Wie alles begann“. Was in unserem Fall heißt: Es handelt davon wie sich John Cooper, Doctor McCoy und Kate O’Hara - sowie die beiden neuen, der Trapper Hector und die Voodoo-Dame Isabelle - kennengelernt haben.


Immer diese Eisenbahner

Zusammen wollen sie der zwielichtigen DeVitt Company das Handwerk legen. Die verlegt ohne Rücksicht auf Verluste ihre Schienen westwärts und macht sich damit in der Bevölkerung keine Freunde. Was auch daran liegen mag, dass die Schlägertrupps der Company die Bürger terrorisieren und überall einen auf dicke Hose machen. Wobei sie dann auch gleich mal mit einem unserer Helden, John Cooper, aneinandergeraten. Erneut also eine Eisenbahngesellschaft, wie schon in Desperados 2. Was zwar nicht sonderlich einfallsreich ist, aber ok, die Story ist insgesamt auch so ganz ordentlich geworden. Auch weil John Cooper darüber hinaus noch ein ganz eigenes Ziel verfolgt
 

(Copyright: THQ Nordic)
Spielprinzip: Klassisch

Das Spielprinzip ist ganz klassische Echtzeit Taktik-Strategie, wurde aber hier und da noch sinnvoll verfeinert und verbessert. Mit unseren fünf Helden schleichen, kämpfen und kombinieren wir uns durch insgesamt 16 Wildwest-Level, in denen wir jeweils ein Ziel, aber oft dutzende von Aufgaben zu erledigen haben. Brücken sprengen, Gefangene befreien, einen Banditenüberfall abwehren, Dokumente klauen oder einfach ein paar Schläger ausschalten.

Jede der fünf Figuren hat ihre ganz eigene Spezialfähigkeit: John Cooper ballert mit zwei Revolvern, Kate macht die Männer wuschig, Hector erledigt Gegner lautlos mit seiner Bärenfalle, Voodoo-Isabelle kann Gedanken steuern und der Doc hat so seine ganz eigenen, medizinischen Waffen. Dabei könnt ihr die Figuren, die zum Einsatz kommen, nicht selber aussuchen - das wird vom Spiel vorgegeben. Mal seid ihr nur mit einer unterwegs, dann wieder mit mehreren; oftmals wechselt die Besetzung auch während einer Mission. Und nicht selten müssen auch die Skills mehrerer Figuren kombiniert werden, um weiter zu kommen.
 

(Copyright: THQ Nordic)

Taktik und Strategie: Gute KI und Umgebungs-Späße

Entscheidend für euer Vorgehen ist zum einen die Stärke der Gegner - für die Longcoats zum Beispiel braucht man schon drei Treffer, um sie auszuschalten - zum anderen aber auch der Lärm, den eure Aktion veranstalten wird. Der wird vorab schon angezeigt, so dass ihr sehen könnt, ob zum Beispiel ein Schuss jemanden in der Umgebung alarmieren wird. Ohne einen guten Plan geht deshalb meist gar nichts.
  
Dabei kann man auch oft ganz einfallsreich die Umgebung mit einbeziehen. So eine Kirchenglocke kann ja schon mal runterfallen, Pferde oder eine Rinderherde gehen gerne mal durch und so eine Ölpfütze neben einem Bohrturm gerät ja schon mal leicht in Brand. Besonders, wenn man eine Fackel reinschmeißt, während gerade ein Dutzend Gegner darin stehen.

Andererseits kann uns die Umgebung aber auch selber zur Falle werden: Hunde bellen und Hühner gackern zum Beispiel schon mal laut, wenn man an ihnen vorbeischleicht - so was kann den schönsten Plan in Sekundenschnelle kaputt machen. Aber nicht nur vor der Umgebung müssen wir uns in Acht nehmen, auch unsere Gegner handeln erstaunlich intelligent und planmäßig. Die folgen schon mal gerne euren Fußspuren (was man dann allerdings auch gegen sie verwenden kann, indem man sie so in einen Hinterhalt lockt), schöpfen schnell Verdacht, wenn der Kumpel auf dem Nachbarposten fehlt oder klettern auf höhere Positionen, um sich einen besseren Überblick zu verschaffen. Wie weit die gerade sehen können verrät ganz klassisch der Sichtkegel. Da ist es dann das Beste, sich in Büschen oder hinter Objekten zu verstecken, um dem zu entgehen. Oder besagten Sichtkegel großräumig zu umschleichen. Oder die Wache so abzulenken, dass er woanders hinschaut.

(Copyright: THQ Nordic)

Showdown

An Stellen, wo es dann zu viel werden könnte, wird der Showdown-Modus eingesetzt. Da könnt Ihr die Zeit anhalten, um mehrere Aktionen zu planen, die gleichzeitig ausgeführt werden sollen und diese dann irgendwann auf Knopfdruck abrufen. Trotzdem werdet ihr - gerade zu Beginn - recht regelmäßig ins Präriegras beißen; ständiges Speichern ist da erste Cowboy - bzw. Cowgirlpflicht.

Klasse Technik

Sämtliche Level sind abwechslungsreich mit viel Liebe zum Detail gestaltet und zudem auch äußerst lebendig. Da muss man dann schon mal aufpassen, dass man keine Zivilisten verschreckt oder gar verletzt. Die grafische Umsetzung ist wirklich aller Ehren wert; besonders die Animationen der Figuren, die per Motion-Capturing umgesetzt wurden, ist einfach hervorragend.

Gleiches gilt für die Dialogregie: Sehr lebendig, mitunter sogar witzig - wenn sich die Helden mal wieder gegenseitig auf den Arm nehmen oder ironisch das Geschehen um sie herum kommentieren. Hinzu kommt, dass diese Dialoge auch technisch klasse sind - stimmlich perfekt besetzt und technisch einwandfrei. Was ja auch nicht selbstverständlich ist, wenn ich da an die zu leise abgemischten Dialoge bei „The Last of Us Part 2“ denke. Die überaus stimmungsvolle Westernmusik ist da das Tüpfelchen auf dem i.

Fazit

Motivierende Echtzeittaktikstrategie, grandiose Westernatmo, anspruchsvolle, aber nie unfair schwere Szenarien, technisch sauber verpackt und mit einigen neuen Ideen und Komfortfunktionen veredelt. Dass da die Story keine innovativen Bäume ausreißt, fällt jetzt wirklich nicht ins Gewicht. Viel besser geht es nicht. Howdy, Amigo!

Game: Desperados 3

Genre: Echtzeitstrategie/Taktik

Release: 16.06.2020 (PC, PS4, Xbox One)

Entwickler/Publisher: Mimimi Games / THQ Nordic

USK: ab 16

Sprachausgabe/Texte: Deutsch /Deutsch

Webseite: https://desperadosgame.com/

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